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Kolumne – Kunst war schon immer ein Minusgeschäft

Ein etwas langer Text, den sich aber jeder durchlesen sollte, der Künstler buchen möchte.

Kunst war schon immer ein Minusgeschäft

So mancher große Star hat einmal ganz klein angefangen. Da gehörte die Tingelei am Rande des Bettelstabs trotz aller Anerkennung seitens des Publikums einfach dazu. Das nannte man noch wahrhaft gelebte Künstlermentalität, wie sie schon der Maler Carl Spitzweg in seinem Bild „Der arme Poet“ von 1839 eingefangen hat. Im Folgenden aber soll es vor allem um bühnentaugliche Musik gehen. Diese wiederum steht beispielhaft für alle darstellenden Künste, die Events und Veranstaltungen oft erst zu dem machen, was sie sind: beliebt, kurzweilig, unterhaltsam und erfolgreich. Begeben wir uns hierzu erst mal ein paar Jahrzehnte zurück in der Zeit.

Es gab da nämlich eine Band, die nannte sich The Beatles. Vor ihrem Durchbruch fristete sie fast fünf Jahre lang ein ziemliches Schattendasein fernab des Starruhms. Tatsächlich wurden die „Fab Four“ zu Beginn der 1960er Jahre vom Hamburger Starclub gebucht, da englische Bands in Deutschland seinerzeit als besonders hip galten. Die geschäftliche Verbindung zweier Nachtclubbesitzer in Hamburg und Liverpool machte es möglich. Auf die Beatles warteten im Kiez fortan lange Arbeitstage und -nächte, billige Hotelzimmer, ein zwielichtiges Umfeld, spärlich besuchte Auftritte, ständiger Leistungsdruck und chronischer Geldmangel. Der Rest ist freilich Musikgeschichte, wie sie aber nur äußerst selten passiert.

Freibier als Währung, Gigs als Chance

Die Zeiten haben sich geändert, möchte man meinen. Tatsächlich aber wünschen sich viele Veranstalter zur „Stimmungsmache“ auch heute noch eine perfekte Bühnenperformance zu einem möglichst niedrigen Preis. Qualität wird dabei vornehmlich am Bekanntheitsgrad gemessen. Wo Geld hingegen keine große Rolle spielt, darf auch gerne mal ein internationaler Top-Act gebucht werden – so wie Robbie Williams 2005 im Rahmen der Weihnachtsfeier der Führungsetage der Deutschen Telekom.

Der Eventalltag sieht freilich anders aus. Musikalische und künstlerische Darbietungen dienen so oder so in erster Linie der Unterhaltung und dem Spaß der Gäste. Sie schaffen Emotionalität, sorgen für Überraschungsmomente und sorgen für eine positive Grundstimmung. Im Unterschied zum Unterhaltungssektor kommt in der MICE-Branche noch die emotionale Aufladung und Inszenierung einer Marke, eines Produktes oder einer Dienstleistung hinzu – fertig ist die Sause!

Die grundsätzliche Frage aber bleibt: Wie rechtfertigen Musiker und Bands, Sängerinnen und Sänger, DJs und Kleinkünstler ihre Gagen, wenn sie keine TV- und Radiozeit vorzuweisen haben und nicht schon auf den ersten Blick als Zugpferde für massenhafte Begeisterung erkennbar sind? Ganz einfach: mit sehr viel Arbeitszeit, enormer Flexibilität, großem Ideenreichtum und nicht zu unterschätzenden Ausgaben. Leider, möchte man meinen, sind sich viele nicht zu schade, die bloße Auftrittsmöglichkeit als „Bezahlung“ zu akzeptieren, Freigetränke inklusive.

Tage-, wochen-, monatelang – jeder Musiker und jedes Ensemble probt seine Songs und Bühnenauftritte. Eben diese Probezeit ist essenzielle Arbeitszeit, die aber niemand entlohnt. Dabei muss ein künstlerisches Konzept entwickelt und minutiös einstudiert werden, in der Regel während zahlreicher Übungsstunden im angemieteten Proberaum. Ganz sicher aber braucht es Instrumente und Mikrofone, Gesangsanlage und Mischpult, Boxen und Effektgeräte – Technik eben, die ihren Preis hat. Ob angemietet oder gekauft, spielt dabei nicht die entscheidende Rolle.

Dann muss das Equipment inklusive der Künstler selbst zu jedem Auftrittsort transportiert werden, der auch gerne mal einige hundert Kilometer entfernt liegen kann. Es entstehen weitere Kosten fürs Be- und Entladen, für die Anfahrt, den Benzinverbrauch und ggf. die Fahrzeugmiete. Eventuell ist sogar eine Übernachtung vor Ort vonnöten, für die der Künstler selbst aufzukommen hat. Aber dafür gibt es immerhin freie Drinks am Auftrittsabend und ein paar belegte Brötchen, wenn man schon nicht ans Gäste-Catering darf.

Wenn das Vorfeld außen vor bleibt

Glücklicherweise sind zweifelhafte Geschäftsmodelle wie Umsatzbeteiligungen in der MICE-Branche nicht die Regel. Feste Gagen scheinen von daher eine feine Sache zu sein. Nur sollte man auf Kundenseite im Hinterkopf haben, dass der erzielte Gewinn bei jeder Band und jedem Ensemble in der Regel durch alle Mitglieder geteilt und dadurch pro Kopf minimiert wird.

Und man sollte sich die Frage stellen, wie Musiker und Künstler überhaupt in das Blickfeld möglicher Interessenten rücken. Neben ein bisschen „Vitamin B“ (falls vorhanden) hilft da sicherlich nur eins: reichweitenstarke Werbung und gezieltes Marketing – wobei sich dessen Effizienz oft nur durch die unablässige Aktivität in einschlägigen Printkatalogen, auf Branchenmessen, in Online-Verzeichnissen und auf Social-Media-Plattformen mit möglichst vielen „Likes“ ausdrückt. Auch die eigene Homepage ist natürlich ein Must-have. Da sollten dann bitteschön halbwegs professionelle Audio- und Videoaufnahmen aufzurufen sein, da bekanntlich niemand die Katze im Sack kauft bzw. bucht.

So wird noch mehr Zeit in das Gesamtprojekt investiert und die Kosten summieren sich, wenn etwa Webdesigner, PR-Leute, Fotografen und Tontechniker mit der Realisierung eines gelungenen Vorabauftritts beauftragt sind. Aussagekräftige Referenzen aber sind wie bei jeder Bewerbung aber nun einmal das A und O. Zwar rechnet kaum ein Künstler seine wöchentlichen Arbeitsstunden und Nebenausgaben genau ab, aber es ist selbstredend vollkommen legitim, diese zumindest in die eigene Preisgestaltung mit einfließen zu lassen.

There’s no Business like Show-Business

Die Absatzüberschrift liefert bereits die Erklärung, warum auch Selbstverwirklichung und Musik, Selbstdarstellung und Kunst als Business zu betrachten sind. Denn zu guter Letzt darf auch der administrative und steuerliche Aufwand bei künstlerischen Unterfangen nicht unterschätzt werden. Buchhalterische Qualitäten sind freilich nicht allen virtuosen Gitarristen, begnadeten Sängerinnen und talentierten Soundtüftlern in die Wiege gelegt worden. Unstimmigkeiten beim Finanzamt aber sind mitunter genauso schmerzhaft wie Disharmonien beim Auftritt. Wer im Entertainmentbereich was am Ende erledigt, ist auch in diesem Fall zweitrangig: Externe Lösungen kosten Geld, interne eine Menge Zeit.

Festzuhalten bleibt: Die gelungene Performance von Musik und darstellender Kunst ist mit einem enormen zeitlichen, logistischen und finanziellen Aufwand verbunden. Selbstredend darf und soll sich dieser Aufwand auch in der Gage für Künstler und Musiker niederschlagen. Es ist eine irrige und in der MICE-Branche leider immer noch weit verbreitete Annahme, dass man professionellen Künstlern mit dem bloßen Angebot einer Auftrittsmöglichkeit sowie freier Kost und Logis bereits einen Riesengefallen tut.

Publikum und Gäste bei einem Event angemessen zu unterhalten, ist eine Leistung, die jedem viel abverlangt, der auf der Bühne steht und sich derweil nicht an seinem Sektglas festhalten kann. Zwar mag eine Band für einen Veranstalter in erster Linie ein Produkt und ein DJ ein Kostenfaktor sein, aber man scheint sie dennoch zu wollen und zu brauchen: die Musiker und Künstler, Performer und Darsteller, Unterhalter und Entertainer.

Und selbst, wenn der Sänger oder die Cellistin, der Comedian oder die Tänzerin einen Riesenspaß auf der Bühne haben sollten: Persönliche Zufriedenheit ist nicht gleichzusetzen mit angemessener Bezahlung. Wer für ein hochwertiges Give-Away mal eben 20 Euro pro Veranstaltungsteilnehmer locker macht, sollte sich wirklich nicht lumpen lassen, wenn es um gute Unterhaltung und tolle Stimmung geht.

Quelle: Mice Club Magazin – Die Brachencommunity der Mice – und Eventbranche, der Agenturen, Veranstaltungsplaner, Verbänden und Unternehmer

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